Komische Oper Berlin: Der goldene Hahn © Monika Rittershaus
Monika Rittershaus
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Komische Oper Berlin - "Der goldene Hahn"

Bewertung:

Nikolaj Rimskij-Korsakows letzte Oper wird selten gespielt – jetzt aber in Berlin in der Regie des ehemaligen Intendanten der Komischen Oper Barrie Kosky. Und mit der ersten Premiere von James Gaffigan als neuer Generalmusikdirektor des Hauses.

So ganz neu ist das Werk in Berlin nicht – da gab es mal, ebenfalls an der Komischen Oper, vor knapp zwei Jahrzehnten eine Produktion des damaligen Chefregisseurs und Intendanten Andreas Homoki. Leider damals ein Missgriff, daran kann man sich zu Recht kaum noch erinnern. Muss man auch nicht – die Neuproduktion war ein voller Erfolg.

Satire in Märchenform

Worum geht es? Ein König will seine Ruhe haben und nicht ständig in Sorge vor kriegerischen Angriffen sein. Da verkauft ihm ein Astrologe den titelgebenden goldenen Hahn. Der wacht über das Land und kräht, wenn Gefahr droht. Das passiert auch – nur geht diese von einer exotischen Königin aus, der der König verfällt. Am Ende verlangt der Astrologe als Lohn diese Königin, der König lehnt ab, erschlägt den Astrologen, worauf ihn der goldene Hahn zu Tode hackt.

Das war damals zur Entstehungszeit eine Satire in Märchenform, gemünzt auf den Zarenhof und die Dummheit der Machthaber. Die Zensur verlangte Kürzungen, Rimskij-Korsakow lehnte ab, und erst nach seinem Tod kam das Werk in einer entschärften Fassung auf die Bühne. Lange her.

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Die Magie der Bilder

Das ist genau das richtige Futter für Barrie Kosky. Er lässt das in einer Art Niemandsland spielen, die Bühne bedeckt ein großes graubraunes Feld von vertrocknetem Gras. Ein großer, kahler Baum, auf dem sich der goldene Hahn niederlässt, erinnert an den trostlosen Baum aus „Warten auf Godot“. Vor allem aber setzt Kosky auf große Bilder: dass der Chor in gigantischen Pferdemasken auftritt, ist nur einer von vielen Einfällen.

Die Königin ist von vier exotisch glitzernd gekleideten Tänzern umgeben, irgendwie klischeehaft "ägyptisch", und der goldene Hahn in Menschengestalt hackt am Ende dem König das Gehirn heraus und schleckt es genüsslich auf.

Barrie Kosky macht eines richtig: keine platte Aktualisierung. Er hat verstanden: in einem wie auch immer satirisch gemeinten Märchen kommt es auf die Magie der Bilder an, und alles, was man daraus für heute ableiten könnte: das Thema Krieg oder dumme und gefährliche Diktatoren, das überlässt er der Intelligenz des Publikums. Sehr zu Recht.

Komische Oper Berlin: Der goldene Hahn © Monika Rittershaus
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Falstaff in Unterwäsche

Wo die Komische Oper viele Partien aus ihrem eigenen Ensemble besetzt, hat man hier überwiegend Gäste eingeladen – auch das eine gute Entscheidung: zu diffizil sind die Anforderungen dieses Stückes. Und es hat sich ausgezahlt.

Dmitry Ulyanov in der Hauptrolle des Königs ist ein absolutes "Bühnentier". Wie er in ausgestellter Leibesfülle und grauer Unterwäsche den dummen Trottel und Genussmenschen darstellt, erinnert es an den Falstaff bei Shakespeare, ohne dass es etwas von seiner Skrupellosigkeit und Gefährlichkeit einbüßt. Stimmlich ist Ulyanov eine Offenbarung, wie er den Raum dominiert – allein für ihn lohnt sich der Besuch.

Nicht weniger überzeugend sind Kseniia Proshina als Königin, stimmlich eine Mischung aus Verführung und Eiseskälte, und James Kryshak als Astrologe, darstellerisch köstlich als billiger Taschenspieler und mit schwindelerregender Höhe – allesamt sind sie ein absolutes Vergnügen.

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Überzeugender Einstand

James Gaffigan, seit dieser Spielzeit Generalmusikdirektor an der Komischen Oper, hat mit dieser Produktion seinen Einstand gegeben. Durchaus überzeugend und weit mehr als nur solide. Natürlich war das eine Herausforderung – das ist eine unglaublich vielschichtige Partitur, schließlich war Rimskij-Korsakow ein Meister der Instrumentierung. Und Gaffigan hat das in bester Manier ausgeleuchtet, da fehlten weder das Grelle, etwa beim Krähen des Hahns, noch die derben Chöre und Tänze. Man hat gehört, wie viel Feinzeichnung er in die Umsetzung dieser Musik investiert hat.

Da war vieles sachdienlich – eine eigene Handschrift fehlte noch, ebenso der Klangfarbenzauber, das Glitzern und Funkeln. Aber jetzt, wo nach diesem gelungenen Einstand die Anspannung von James Gaffigan abgefallen sein mag, darf man annehmen, dass vieles von selbst noch leichter, selbstverständlicher und farbenreicher in den kommenden Aufführungen ausfallen wird.

Chance auf eine Erfolgsproduktion

Das hat das Zeug zu einer Erfolgsproduktion. Bis auf Kleinigkeiten – im zweiten Akt hängt es mitunter durch – ist das ein kurzweiliges Vergnügen. Die Komische Oper kann hier ihre Stärke ausspielen. Das sind allem voran die darstellerischen Qualitäten – nicht zu vergessen der Chor des Hauses, der wieder einmal das Rückgrat dieser Produktion war.

Und Barrie Kosky hat mit dieser Oper seinen Stoff gefunden. Zudem bekommt man das kompakt in gut zwei pausenlosen Stunden geliefert. Kurz: Wer da hingeht, macht nichts falsch.

Andreas Göbel, rbbKultur