Revuegirls in "Wien lacht wieder". Ausstattungs-Revue von Karl Farkas und Fritz Grünbaum, 1929; © dpa/brandstaetter images/Wilhelm Willinger
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Eine Musikserie in 21 Folgen von Kai Luehrs-Kaiser - Die 20er Jahre

Die 20er Jahre – ein Mythos, der längst entzaubert ist, und der doch immer erneut beschworen werden kann. Man denkt vielleicht an die "Dreigroschenoper", an Claire Waldoff und Marlene Dietrich (deren "Blauer Engel" 1930 herauskam). Die wilden, brüllenden, elenden und erledigten Zwanziger waren das erste Jahrzehnt, dem ein eigener Charakter zugebilligt wurde. Nur: Worin besteht er?

Das Bauhaus startet, die Arbeitslosigkeit floriert. Die soziale Frage bricht auf, und zwar mit Macht. Thomas Mann schreibt den "Zauberberg". Das Wissenschaftszeitalter nimmt Fahrt auf. Den Expressionismus gibt es immer noch, die Zwölftonmusik hat gerade erst begonnen.

Nicht zuletzt werden in den 20er Jahren die politischen Spielkarten neu gemischt, woraus die 30er Jahre folgen. Man ist glücklich, insoweit man sich unter den quietschbunten, vielgestaltigen Erscheinungen der Zeit umsieht oder umhört. Mit der Ära als solcher wird man nicht fertig.

Vollbad im Schaum

In 21 Folgen nehmen wir ein Vollbad im Schaum, dem sturmbewegten Wellengang, in den Blasen und Bläschen jener Zeit. Unsystematisch, wie es den Exzessen dieser Jahre angemessen erscheint. Etwas besorgt auch angesichts der Tatsache, was hier alles endet. Und frappiert darüber, was ungebrochen bis in unsere Gegenwart hinüberreicht.

Die Musik der Zeit wird für uns eine leitende Rolle spielen. Ihr musikalisch typischster Ausdruck, der zu Höhenflügen ansetzende Kurt Weill, wird später rasch wieder einen Sinkflug antreten. Ähnlich Korngold, anders Krenek und Janáček.

"Wünsch dir nichts!"

Erste internationale Karrieren wie die von Josephine Baker kommen auf. Es ist die Zeit der Schellack-Platten. Wir werden die 20er Jahre also buchstäblich hören können. Man wird politisch, und tanzt Shimmy oder Charleston dabei. Die Operette macht sich obenrum frei. Gern wird man größenwahnsinnig, süchtig und feiert durch.

Man ist desillusioniert, und denkt utopisch. "Wenn ich mir was wünschen dürfte, Käm ich in Verlegenheit", so die melancholische Hymne Friedrich Hollaenders für sein Zeitalter. "Wünsch dir nichts! Dummes Menschenkind, Wünsche sind nur schön, Solang sie unerfüllbar sind."

Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur