DT: The Hills are alive © Lex Karelly Schauspielhaus Graz
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Deutsches Theater - "The Hills are alive"

Bewertung:

Im Puppenspiel "The Hills are alive" am Deutschen Theater geht um die Mauer, die Donald Trump vor Jahren im Wahlkampf zur Abwehr von Einwanderern versprochen hat. Versehentlich wird die in den Garten eines alten Ehepaars gebaut, das einst vor den Nazis aus Österreich geflohen war und über die Mauer alles andere als amüsiert ist ... Auf die Bühne gebracht wurde dieses absurde Stück von den Puppenspiel-Stars Nikolaus Habjan und Neville Tranter.

Dass wir uns in Österreich befinden, ist unübersehbar: Zwei rot-weiße Flaggen sind zu beiden Seiten der Bühne aufgestellt, dazwischen der hölzerne Schreibtisch einer Amtsstube, davor eine Reihe roter Geranienkästen – fehlt nur das Edelweiß-Blümchen.

DT: The Hills are alive © Lex Karelly Schauspielhaus Graz
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Bissige Österreich-Kritik

Hier sitzt der Einwanderungsbeamte Norbert Frickl mit Hitler-Bärtchen und rotglühenden Augen und gackert hühnergleich bei jedem Stempel, den er unter einen abgelehnten Asylantrag donnern kann. Bis ein neuer Azubi mit Maschinengewehr dazu tritt. "Soll ich die Neuankömmlinge gleich erschießen?", fragt er. Frickls Antwort: "Die österreichische Regierung erschießt doch keine Immigranten – noch nicht".

Diese bissige Kritik an der Koalition mit den Rechtspopulisten in Österreich sitzt – mit ihr ist allerdings auch schon das beste Pointen-Pulver verschossen. Alles, was danach kommt, ist unterhaltsam, schrill, grotesk, aber auch allzu flach und harmlos.

Neville Tranter und Nikolaus Habjan - zwei Stars des Puppenspiels

Und vor allen Dingen: ganz schön voraussetzungsreich. Dass Norbert Frickl eine Parodie auf den früheren österreichischen Innenminister Herbert Kickl darstellt, muss man für den Plot nicht zwangsläufig entschlüsseln. "The Sound of Music" sollte man aber gesehen haben, sonst wird man mit Personal, Musik, Bildern wenig anzufangen wissen.

Auf diesen Musical-Film aus dem Jahr 1965 beziehen sich Nikolaus Habjan und sein früherer Lehrer, Puppenspiel-Urgestein Neville Tranter aus Australien, in ihrem Abend "The Hills Are Alive" am Deutschen Theater. In Österreich ist der 36-jährige Regisseur, Puppenbauer und -spieler Habjan inzwischen ein Star. Mit Mitte 20 hat er schon seinen ersten Nestroy-Preis gewonnen, den wichtigsten österreichischen Theaterpreis, inzwischen sind es bereits drei Trophäen. Mit seinen großen Breitmaul-Puppen (für die ebenfalls Tranter die Inspiration gab) bringt er oft politische Themen auf die großen Bühnen in Wien, Bregenz, Bayreuth oder Stuttgart. Immer wieder beschäftigt er sich mit der Aufarbeitung der NS-Zeit. Das DT bringt Habjan jetzt mit gleich drei schon bestehenden Produktionen nach Berlin, "The Hills Are Alive" macht den Anfang.

Eine schräge Abwalndung von "The Sound of Music"

Im Film sind die von Trapps mit ihren sieben Kindern vor den Nazis über die Alpen nach Amerika geflohen. Im Theater fliehen sie nun als altes Ehepaar vor Donald Trump in den USA zurück in die alte Heimat. Wenn die Maria-Puppe, geführt und gesprochen von Nikolaus Habjan, den Titelsong schmettert, tut sich hinter den Flaggen jenes verkitschte Alpen-Panorama auf, das schon den Film so rührselig gemacht hat.

Aber so leicht ist es mit der Rückeinwanderung natürlich nicht. Da hilft es auch wenig, dass die von Trapps in den USA und Australien lebende Legenden sind, deren Geschichte jedes Kind kennt. Im Gespräch mit einem Journalisten bleibt "Immigration Officer Frickl" hart: "Damals war Österreich nicht gut genug für sie, und jetzt wollen sie in unser Vaterland zurück, und zwar illegal! Falls die Kinder versuchen einzureisen, werden sie verhaftet und mit dem ersten Flugzeug in die USA zurückgeschickt."

Habjan und der australische Puppenspiel-Star Neville Tranter spielen auf Englisch mit deutschen Übertiteln. Richtig schräg wird die Story, als sich der Journalist als Sohn eines der Kindermädchen der von Trapps herausstellt, das Kapitän von Trapp, der Ehemann, geschwängert hat. Und als Maria, Ehefrau von Trapp, sich auf eine Liebschaft mit einem Ziegenbock einlässt, der 50 Jahre auf sie gewartet hat. Dann taucht auch noch Arnold Schwarzenegger auf, der berühmteste Österreicher Amerikas, und gibt Schützenhilfe.

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Klamauk, Plot-Wirrwarr - und viel Applaus

Dass das Publikum bei so viel Klamauk und Plot-Wirrwarr trotzdem jede Szene beklatscht und am Ende schrecklich aus dem Häuschen ist, muss am genialen Puppenspiel liegen. Maria, diese alte, faltige Schreckschraube ganz in Pink, deren Hände Nikolaus Habjan ausladend durch die Luft tanzen lässt, ist ein Knaller. Habjan, immer sichtbar, leiht ihr seine menschlichen Beine, schlägt sie affektiert übereinander – und doch sitzt da in unserer Vorstellung allein Maria. Dasselbe gelingt Neville Tranter mit seinem schluffigen Ehemann Max mit Altherrenbauch. Die Figurenführung und Stimmimitation von Habjan und seinem früheren Lehrer, der mit dieser Produktion seinen Abschied von der Bühne feiert, ist wahrlich ein Genuss.

Doch "The Sound of Music" ist zu wenig bekanntes Kulturgut in Deutschland, als dass man damit Funken schlagen könnte. Die zwei preisgekrönten Puppen, mit denen Habjan bald ebenfalls am DT gastiert, sein schrulliger Dirigent Böhm und der NS-Überlebende F. Zawrel, werden da vermutlich die interessanteren Geschichten erzählen.

Barbara Behrendt, rbbKultur