Schlosspark Theater: Achtsam morden © DERDEHMEL/Urbschat
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Schlosspark Theater - "Achtsam morden"

Bewertung:

Um seine Ehe zu retten, soll Strafverteidiger Björn Diemel seine Work-Life-Balance in Ordnung bringen. Seine Frau schickt den Anwalt, der sich im Alltag um das Wohlbefinden der organisierten Kriminalität zu kümmern hat, zu einem Achtsamkeits-Coach. Was er dort lernt und erfolgreich anwendet, verändert nicht nur sein Leben, sondern auch die Hierarchie im Unterwelt-Milieu. Im Schlosspark-Theater hatte die Komödie nach dem Krimi von Karsten Dusse am Wochenende Premiere.

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Eine Grand-Guignol-Bühne ist aufgebaut, also ein Kasperltheater für groteske Horrorstücke, wie man das aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts kennt. Gerahmt ist diese Bühne auf der Bühne von bunten Glühbirnen wie auf dem Jahrmarkt. Darüber eine rot leuchtende Gruselschrift, von der das Blut zu tropfen scheint: "Achtsam Morden" steht da. Hinter einem Papiervorhang sehen wir den Schatten eines Mannes mit einer großen Säge in der Hand. In Stummfilm-Manier zieht er ein einzelnes Bein hervor und steckt es geräuschvoll in den Häcksler. Dann folgt ein Arm. Und schließlich: ein Kopf ...

Bis eine diebische Elster, ebenfalls als Schatten zu sehen, mit einem Finger im Schnabel davonfliegt – und der Schattenmann blutbesudelt hinterm Papiervorhang hervorbricht. Dann entdeckt er das Publikum. Und unterm Schutzanzug schält sich der schnöselige Anwalt Björn Diemel heraus, gespielt von Mario Ramos:

"Alles in Ordnung. Ich bin nicht gewalttätig! Den ersten Menschen habe ich erst mit zweiundvierzig Jahren umgebracht. Als Ergebnis einer achtsamen Lebensumstellung. Meine Frau Katharina…"

Der Achtsamkeitscoach - nur eine von zehn Rollen, die Hallervorden spielt

Und bei diesem Stichwort erscheint auf der Kasperl-Bühne Katharina wie Kai aus der Kiste, gespielt von Ines Nieri. Sie hat ihrem Ehemann ein Ultimatum gestellt, weil seine Work-Life-Balance gar nicht gut aussieht. Und sie sich allein um die kleine Tochter zu kümmern hat, während ihr Gatte den Clan-Chef Dragan vor der Drogen- und Steuerfahndung und schließlich der Mordkommission bewahrt. Für gutes Geld versteht sich. Seine Moral und seine Familie hat Björn Diemel dabei über Bord gehen lassen. Bis Katharina ihn zum Achtsamkeitscoach schickt – eine von sage und schreibe zehn Rollen, die Dieter Hallervorden spielt. Hier steckt er, ganz überkommenes Klischee, in Strickweste und weißer Langhaarperücke:

"Erst wenn Sie verinnerlicht haben, dass Sie nicht tun müssen, was Sie nicht wollen – erst dann sind Sie frei."

Jede Achtsamkeitsübung befolgt der Anwalt minutiös. Das heißt: Auf seiner sogenannten Zeitinsel mit seiner Tochter am See lässt er sich nicht von der Arbeit stören. Auch nicht vom Drogenboss. Im Kofferraum hat er Dragan zwar zur Flucht verholfen – jetzt grillt der dort allerdings bei 59 Grad in der Sonne. Und landet schließlich im Häcksler.

Überzeichnete Figuren

Schon nach der ersten Szene ist klar: Dem Regisseur Philip Tiedemann geht es nicht um Glaubwürdigkeit, sondern um Spaß, Slapstick, Gauklertheater mit fliegenden Kostümwechseln. Das Fan-Publikum johlt, immer wenn sein Star Hallervorden als neue Figur auftritt. Drei Schauspieler:innen spielen über 20 Rollen, ein paar Puppen kommen auch zum Einsatz. Neben dem Drogenboss Dragan ist da sein russischer Rivale Boris, die trutschige Sekretärin, außerdem der Ermittler, der Erzieher, das Kleinkind, die Ehefrau etc. Das klappt wie am Schnürchen.

Zu tief darf man allerdings weder beim Roman noch bei der Inszenierung in die Interpretation einsteigen. Der Autor Karsten Dusse nimmt zwar die Achtsamkeit ernster als man meint, dafür hat er für seine Frauenfiguren nur sexistische Sprüche übrig. Der Regisseur Tiedemann löst das Problem, indem er kurzerhand alle Figuren überzeichnet.

Kurzes, schwarzhumoriges Vergnügen

Hallervorden verlegt sie dann allerdings in seine Generation und nimmt ihnen damit Dusses Kritik an der heutigen "woken" Gesellschaft. Der Erzieher ist hier kein junger Hipster, dem der Anwalt eins reinwürgt, sondern ein Alt-68er mit Yogahemd. Der Drogenboss ist kein Neuköllner Gangster, sondern ein abgehalfterter italienischer Mafioso. Ob es nötig ist, die Russen, Italiener und Briten mit gebrochenstem Deutsch zu karikieren – nun ja.

Fürs kurze, schwarzhumorige Vergnügen kommen Hallervorden-Fans aber durchaus auf ihre Kosten.

Barbara Behrendt, rbbKultur