Staatsoper Berlin: Rusalka mit Christiane Karg (Rusalka) © Gianmarco Bresadola
Gianmarco Bresadola
Bild: Gianmarco Bresadola Download (mp3, 6 MB)

Staatsoper Berlin - "Rusalka"

Bewertung:

Lyrisches Märchen in drei Akten (1901)

Musik von: Antonín Dvořák
Text von: Jaroslav Kvapil

Schon im 1. Teil zickige Buhs. Dachte: Ohgottogott. Am Ende aber dann doch Rührung und Begeisterung – sogar für das Regiekonzept. Vielleicht hat sich auch nur das Werk selbst durchgesetzt. Obwohl Antonín Dvořák durchaus noch mehr Opern komponiert hat als nur "Rusalka“, bleibt diese doch sein Meisterwerk. Mit Dirigent Robin Ticciati hatte man in einen hochmögenden Staatsopern-Debütanten investiert. Besonders eine Sängerin wächst staunenswert über sich hinaus.

Kein Zauberwald, kein Schloss

Kein Zauberwald, kein Schloss. Regisseur Kornél Mondruczó siedelt die Nixen-Geschichte in einem Wohngemeinschaftshaus an. Unten wohnt Rusalka mitsamt Töchtern der Moldau, dem Wassermann und der magischen Reinigungskraft Ježibaba. Sie selber verbringt die meiste Zeit in der Badewanne. Als sie den Prinzen vom Oberstock kennenlernt, zieht sie eins höher ins ausgebaute Berliner Dachgeschoss.

Christiane Karg in "Rusalka" (Bild: Gianmarco Bresadola)
Bild: Gianmarco Bresadola

Verflucht und eingeholt von den Mächten der Unterwelt

Soweit wäre das eine soziale Aufsteigergeschichte – was "Rusalka“ leider gerade nicht ist. In diesem Märchen geht es, viel allgemeiner, um Teilhabe am (Liebes-)Leben. Von diesem fühlt sich die Heldin, eine Undinenfigur, unglücklich ausgeschlossen. Nach der Pause indes reißt Mondruczó das Ruder überraschend herum. Rusalka, verflucht und eingeholt von den Mächten der Unterwelt, sieht sich in ein grässliches Ungeziefer verwandelt. In eine riesige schwarze Made, einen Engerling des Grauens. Die Sängerin Christiane Karg, mit schuppig-fettigem Hinterteil, glitscht und robbt gruselig-virtuos über die Bühne. Ein toller special effect, darstellerisch großartig umgesetzt. Im Kafka-Jahr kann man sich derlei schon gefallen lassen.

Eine der schönsten Gesangs-Befreiungsleistungen

Mit Christiane Karg landen wir endgültig auf der Haben-Seite. Das zarte Persönchen, halb so groß wie der Wassermann, ist optisch eine wunderbare Rusalka – der geborene Außenseiter-Troll. Stimmlich aber ist sie eigentlich zu kühl, zu spitzig. Sie verdünnisiert sich beim "Lied an den Mond“ ohne jede Lyrik. Wie sie sich dann aber nach der Pause über genau diese Limits expressiv hinwegsetzt, die Rolle stimmlich ausgestaltet und sich völlig neu dabei erfindet, das ist schier atemberaubend zu sehen und zu hören. Eine der schönsten Gesangs-Befreiungsleistungen der letzten Jahre in Berlin.

Monumental-alphornhaften Wassermann und idiomatischen Prinz

Daneben gibt Mika Kares einen monumental-alphornhaften Wassermann. Altistin Anna Kissjudit als Ježibaba zeigt, so tief sie auch immer hinabsteigt, nicht den kleinsten herben Brustton. Phantastisch! Anna Samuil verwaltet die waidwunden Reste ihres Soprans an diesem Abend souverän. Pavel Černoch singt einen idiomatischen Prinzen; auch wenn man indiskreterweise anmerken könnte, dass auch ein böhmischer – oder mährischer – Knödel immer noch ein Knödel bleibt.

Absolut sehenswert

Ticciati im Graben ist tatsächlich der Joker der Aufführung. Mit seiner Vorliebe für eine warm timbrierte, rundlaufende Dramatik ist er bei diesem Stück – das er auch schon beim DSO dirigierte – genau recht am Ort. Die Staatskapelle klingt herrlich. Wenn die unter Thielemann so weitermachen (Mutter Thielemann saß im Publikum), macht ihnen den Rang direkt nach den Berliner Philharmonikern niemand streitig.

Kurz: Sängerisch und orchestral teilweise überragend. Die Inszenierung ab der Pause absolut sehenswert. Sehenswert, das bedeutet gehenswert.

Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur