Pho – vietnamesische Nudelsuppe in einr Schüssel; © Colourbox/FomaA
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Geschmackssache - Phở – wärmende Suppe aus Vietnam

Po? Fo? Fö? Den Namen der vietnamesischen Phở-Suppe richtig auszusprechen, ist oft eine Herausforderung. Zumal die erste – zwar naheliegende, aber falsche Variante – auch noch ziemlich unappetitlich klingt. Es hilft, an den Namen des Gerichtes zu denken, das wahrscheinlich die vietnamesische Phở-Suppe zu Zeiten der französischen Kolonialherrschaft inspiriert hat: Pot au feu, der Eintopf aus Rindfleisch und Gemüse.

Ursprünglich Streetfood für arme Leute, ist Phở im Laufe der Zeit zur Delikatesse und zum vietnamesischen Nationalgericht schlechthin geworden. Das Rezept unterscheidet sich im Norden und im Süden des Landes sehr. Aber in beiden Varianten bringt diese wärmende, aufbauende Suppe eine betörende Vielfalt an Aromen mit sich.

Koloniale Vergangenheit

Noch Ende des 19. Jahrhunderts war es in Vietnam nicht üblich, Rindfleisch zu essen. Kühe waren als Fleischlieferant zu schade, ihre Arbeit auf den Feldern viel wichtiger. Im Topf landete das Fleisch von Wasserbüffeln, dünn geschnitten, lange mit Wasser gekocht und mit Reisnudeln serviert, die man wiederum aus dem Nachbarland China kannte.

Die französischen Offiziere, die seit Beginn der Kolonialherrschaft 1880 in Vietnam stationiert waren, wollten auf ihren gewohnten Eintopf aus Rindfleisch und Gemüse "Pot au feu" nicht verzichten und ließen von chinesischen Händlern immer wieder Hunderte von Rindern aus Kambodscha importieren. Rinderknochen und Schlachtabfälle wurden für wenig Geld an Fleischereien in Hanoi verkauft. Straßenhändler witterten das Geschäft und kochten daraus eine günstige Suppe mit Rinderbrühe und Reisnudeln, die auf Märkten zum Frühstück angeboten wurde.

Womöglich war das französische Wort "feu" (Feuer) Namensgeber für die Suppe. Bewiesen ist es nicht, zumal Phở eine eigenständige Spezialität ist, die Pot au feu kaum ähnelt und es viele andere Theorien über die Herkunft des Namens gibt. Noch heute ist die Phở-Suppe nach Hanoi-Art ein beliebtes Frühstücksgericht. Lokale, die Phở anbieten, schließen daher schon gegen Mittag.

Im Norden spartanisch, im Süden üppig

In der Region um Hanoi wird die Suppe mit einer klaren Brühe zubereitet, die zwar delikat ist, dennoch sehr intensiv, da Rindfleisch und -knochen sehr lange darin gekocht werden. Dazu kommen feine Rindfleischstreifen, Reisnudeln, Frühlingszwiebel, Kräuter und Gewürze wie schwarzer Kardamom, Sternanis, Zimt und gerösteter Ingwer.

Mit der Teilung Vietnams 1954 flüchteten über eine Million Menschen vom Norden in den Süden. Phở wurde somit auch im Süden Vietnams beliebt, dem lokalen Geschmack angepasst und viel intensiver gewürzt, mit Zutaten wie Limette, Koriander, Thaibasilikum, Chilisauce, fermentierter Sojasauce und Sojasprossen.

Die Fleischknochen, vor dem Kochen über Holzkohle angeröstet, machen die Brühe um einiges intensiver und reichhaltiger. Mit dem großen Exodus, nach der Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam 1975, wanderten die Rezepte mit den Menschen in alle Länder und Kontinente, vor allem nach Nordamerika, Frankreich und Australien.

Vom Frühstücks- zum 24-Stunden-Gericht

Vietnams Nationalgericht ist heute weltweit eine beliebte und meist günstige Spezialität. In vielen Metropolen der Welt wird sie bis spät in die Nacht für das junge Ausgehpublikum angeboten. Phở nach Hanoi- oder nach Saigon-Style, so wie nach anderen regionalen Rezepten, findet man heute überall. So auch neue Varianten, die dem modernen Geschmack entgegenkommen, mit Hühnerfleisch, Meeresfrüchten, Tofu, Pilzen und verschiedenen Gemüsesorten.

Eine intensive und schmackhafte Brühe zuzubereiten, ohne den entscheidenden Umami-Faktor von Rindfleisch und -knochen, dürfte eine Herausforderung sein. Zumal "Geheimzutaten", die in einigen Regionen Vietnams verwendet werden, um den Geschmack runder zu machen, auch tierischer Herkunft sind – wie die wurmartigen Schiffsbohrmuscheln oder die Essenz von Riesenwasserwanzen. Aber die vielen vegetarischen oder veganen Lokale, die auch Phở anbieten, zeigen, dass mit Zutaten wie Pilzen, Misopaste und Hefeflocken sowie ganz viel Gemüse auch eine gute Brühe gekocht werden kann.

Elisabetta Gaddoni, rbbKultur

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