See Siang Wong: Unheard © RCA
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Album der Woche | 15.01. - 21.01.2024 - See Siang Wong: Beethoven Trilogy 3 - "UnHEARD"

Man sollte meinen, dass es eigentlich gar keine "ungehörten" Beethoven-Kompositionen mehr gibt. Genau mit solchen hat sich der Pianist See Siang Wong aber im letzten Teil seiner Beethoven-Trilogie beschäftigt "UnHEARD“" - also "ungehört" - heißt das neue Album, das er gemeinsam mit der Camerata Schweiz unter der Leitung von Howard Griffiths eingespielt hat. Zu hören gibt es da eine ganze Menge ...

Innig und gefühlvoll, aber auch mit viel Leichtigkeit spielt der Pianist See Siang Wong die Klaviersonate Nr. 30 op. 109 von Beethoven – ein sehr gelungener Auftakt für sein neues Album "UnHEARD".

Unheard, also ungehört, ist die späte Klaviersonate von Beethoven aber eigentlich nicht. Wer die Sonate kennt, wird bei See Siang Wong neben den bekannten Sätzen aber auch die eine oder andere Passage hören, die er oder sie tatsächlich noch nicht gehört hat.

Ein Spiel mit Skizzen

Zu seiner Klaviersonate Nr. 30 op. 109 hatte Beethoven etliche alternative Ideen in der Schublade, besonders für den Variationensatz am Schluss. In die Komposition haben es diese Kompositionsskizzen nicht geschafft. Schade eigentlich! Das muss sich auch der Schweizer Komponist Jürg Wyttenbach gedacht haben. Der hat die teilweise fragmentarischen Ideen Beethovens auskomponiert und zu eigenen kleinen Variationen geformt, die See Siang Wong wiederum in die Klaviersonate Nr. 30 op. 109 eingefügt hat.

Das Ergebnis ist, so sagt er, sei "ein lustiger Mix zwischen – ja, man weiß nicht genau – ist das jetzt Beethoven, ist das Jürg Wyttenbach…?"

Ersteinspielung (k)einer Beethoven-Sonate

Verwechslungsgefahr besteht auch bei einem weiteren Werk auf See Siang Wongs neuem Album. Das D-Dur-Klavierkonzert ist ganz wortwörtlich ein "ungehörtes" Werk von Beethoven – es ist nämlich gar nicht von ihm. Das ihm fälschlicherweise zugeschriebene Werk stammt vom böhmischen Komponisten Jan Joseph Rösler.

See Siang Wong und die Camerata Schweiz unter der Leitung des Dirigenten Howard Griffiths sind die Ersten, die den ersten Satz des Konzerts eingespielt haben.

See Siang Wong, Pianist © Sony Music / Roshan Adhihetty
Bild: Sony Music / Roshan Adhihetty

Vom Fragment zum vollständigen Sonatensatz

Eine Komposition, die tatsächlich von Beethoven stammt, ist eine Sonate in D-Dur. Fertig geworden ist die aber nie. Das Manuskript ist zwar ein buntes Chaos voller Ideen, Korrekturen und Spielvarianten. Die Komposition ist an vielen Stellen aber, für Beethoven ganz untypisch, ziemlich karg, findet See Siang Wong. "Wahrscheinlich hat Beethoven nur das Grundmaterial geliefert für diese Sonate und deshalb habe ich das ein bisschen aufgefüllt.“

Stilsicher und hochvirtuos

See Siang Wong hat ein feines Gespür für Beethoven, seine Ideen und seinen Stil. Das hört man in seinen Ergänzungen zum Sonaten-Fragment in D-Dur, in seinen präzisen und geschmackvollen Verzierungen und in seinen Kadenzen, also den Momenten, die er als Solist ganz allein gestaltet. Die sind hochvirtuos und ein echtes Klangerlebnis.

Eine undogmatische Herangehensweise

Auf See Siang Wongs neuem Album begegnet man Beethoven als Tüftler am Schreibtisch, der ausprobiert, neue Ideen notiert und alte verwirft. Das Spielerische und die Freude am Entdecken dieser Ideen spielen für See Siang Wong eine entscheidendere Rolle, als Ehrfurcht vor einem beinahe monumentalen Beethoven: "Ich denke, gerade das ist das Kreative an dieses Album.“

Ungehörig sind diese ungehörten Beethoven-Kompositionen für ihn nicht.

Henrike Leißner, rbbKultur