Brezeln © Elisabetta Gaddoni
Bild: Elisabetta Gaddoni

Vom Fastenzeit-Gebäck zum beliebten Snack - Die Brezel

Ob in der Bäckerei, in Kneipen oder im Theaterfoyer: Brezeln sind heute ein allgegenwärtiger Snack. Entstanden sind sie allerdings als Gebäck für die Fastenzeit: Ihre typische Form erinnert an die Arme frommer Mönche, beim Beten vor der Brust überkreuzt. Im Laufe der Zeit haben sich unzählige regionale Varianten entwickelt, die alle meist ziemlich salzig sind. Selbstgebackene Brezeln haben nicht nur eine bessere Konsistenz, sie können nach Belieben gesalzen und ausgefallen gewürzt werden.

"Brachiolum": Aus diesem lateinischen Wort für "kleine Arme" soll der Name der Brezeln stammen. Unter den vielen Legenden, die sich um ihre Entstehung ranken, mutet diese aus dem frühen Mittelalter besonders bildhaft an: Ein Mönch, wahrscheinlich in einem südfranzösischen oder norditalienischen Kloster, war gerade damit beschäftigt, Brot für die Fastenzeit zu backen. Er beobachtete beim Teigkneten seine Glaubensbrüder, die gerade im Hof für ihre tägliche Ration Bier anstanden, die Arme devot vor der Brust überkreuzt. So bekam er die Inspiration für die Form dieses bescheidenen Gebäcks, für das Wasser und Mehl genügen sollten.

Fasten mit Brezel und Bier

In der Fastenzeit war nur eine Mahlzeit am Tag erlaubt: Fleisch, Milchprodukte, Eier und Alkohol waren verboten. Warum standen dann die Mönche für Bier an? Bier, so hieß es, breche das Fasten nicht. Die erlaubte Tagesportion eines halben Liters konnte sie immerhin über die 40 Tage frugaler Diät hinwegtrösten. Jedenfalls waren Brezeln lange Zeit Symbol der Fastenzeit und sind als solche in vielen Gemälden des Mittelalters und der Renaissance abgebildet. Seit über 700 Jahren ist das ehemalige Fastengebäck in vielen Regionen das Zunftsymbol der Bäcker und eine Brezel in Originalgröße, an der Mauer einer Heidelberger Kirche eingraviert, diente als Vorschrift für die Bäcker, damit sie die Maße einhielten.

Vom Schicksalsknoten zum Gebetsknoten

Unzählige Geschichten und Anekdoten rund um die Brezel bietet der Besuch im Brezelmuseum Erdmannhausen bei Stuttgart an. Selbstverständlich gab es auch vor dem Mittelalter Gebäcksorten, die als indirekte Vorfahren der heutigen Brezel gelten können. Ringelförmiges Gebäck gab es aber schon in der antiken Welt, bei den Griechen und Römern ebenso wie bei den Kelten. Sie waren unter verschiedenen Namen bekannt, hatten aber alle eine charakteristische runde Form, die an die Sonne erinnern sollte. Diese Anspielung auf heidnische Kulte wollte die Kirche tilgen – so erklären einige die typische, durch einen Knoten dreigeteilte Brezelform, die die Dreifaltigkeit symbolisieren soll. Allerdings hatten auch Knoten in der Antike eine symbolische oder sogar magische Bedeutung, die ebenso christianisiert werden musste: Die Fäden, die die griechischen und römischen Schicksalsgöttinnen in der Hand hielten, wurden dann zu Gebetsketten wie dem Rosenkranz.

Goldene Brezel vor Bäckerei © Elisabetta Gaddoni
Bild: Elisabetta Gaddoni

Mit oder ohne Salz

Was auch immer die Form inspiriert haben mag, eines scheint sicher: die Brezeln waren damals blass und kaum salzig. Das kurze Eintauchen der rohen Teiglinge im heißen Laugenwasser soll erst später üblich geworden sein, höchstwahrscheinlich in Süddeutschland - Missionare und Auswanderer brachten sie später auf alle Kontinente. Womöglich war Salz früher zu kostbar, um für dieses Verfahren verschwendet zu werden. Außerdem hatte das Fastengebäck fade zu schmecken, um nicht vom Gebet abzulenken. Das hat sich viel später gerächt: Heute wird viel zu viel grobes Salz auf die Brezeln gestreut, die durch das Laugenbad ohnehin schon salzig sind. Noch heute werden die traditionellen Fastenbrezeln vieler süddeutschen Ortschaften hell gebacken und sind gar nicht salzig, wie zum Beispiel die oberfränkischen Anisbrezen.

Einmal ins heiße Wasser und zurück

Einige verzichten auch darauf, die Teiglinge vor dem Backen in heißes Wasser zu tauchen und besprühen einfach die Oberfläche mit Salz- oder Zuckerwasser, damit die fertigen Brezeln eine goldbraune Farbe annehmen. Dabei trägt das heiße Bad dazu bei, dass die mehlige Oberfläche geliert und dadurch beim Backen kompakter wird: so entwickeln die Brezeln eine dickere und knusprigere Kruste. Der Vorgang, die noch rohen Teiglinge mit Hilfe einer Schöpfkelle für ein paar Sekunden in den Topf zu geben, um sie dann auf das Backblech abzulegen, nimmt zwar etwas Zeit in Anspruch, macht die Brezeln aber schmackhafter und knuspriger.

Knusprig oder fluffig

Ob die verknoteten "Arme" in der Mitte schmal und knusprig – wie im Norden – oder genau so dick wie der Rest sein sollen – wie in Süddeutschland –, ist der individuellen Vorliebe überlassen. Sehr heiß und mit Umluft sollte der Ofen sein. Durch die kurze Backzeit soll der Teig aufgehen, nicht zäh bleiben und nicht zu trocken werden, wie man es von vielen Brezeln kennt, die im Halse stecken bleiben: An einem solchen Exemplar wäre 2002 der ehemalige US-Präsident George W. Bush beinah erstickt ... Frisch gebackene Brezeln haben aber in der Regel eine viel lockerere, "brotigere" Konsistenz als die handelsüblichen, die meist aus der Tiefkühlung kommen und im Geschäft aufgebacken werden.

Gewürze statt Salz

Natürlich ist es Geschmackssache, ob und wieviel Salz auf die Brezel gehört. Aber zu viel Salz ist bekanntlich schädlich, Gewürze hingegen sind gesund und geschmacklich attraktiver. Anis oder Kümmel, wie im Süden, oder auch schwarzer Sesam, Kreuzkümmel, orientalische Gewürzmischungen wie Zatar, Baharat oder Ras-El-Hanout, Safran, Zitronen- und Orangenschale bringen Aromen mit, die selbst ein alltägliches Gebäck wie die Bretzel ungewöhnlich und interessant machen.

Elisabetta Gaddoni, rbbKultur

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