Sarah Jäger: Und die Welt, sie fliegt hoch ©Rotfuchs; Montage: rbbKultur
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Jugendroman ab 12 Jahren - Sarah Jäger: "Und die Welt, sie fliegt hoch"

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Die Jugendbuchautorin Sarah Jäger hat schon als Call-Center-Agentin, Theaterpädagogin und Buchhändlerin gearbeitet, bevor sie 2020 ihr preisgekröntes Debüt "Nach vorn, nach Süden" vorgelegt hat. Für ihren neuen Roman "Und die Welt, sie fliegt hoch" hat Sarah Jäger eine ungewöhnliche Form gewählt: Er besteht komplett aus Text- und Sprachnachrichten.

Ava und Juri sind zusammen zur Grundschule gegangen, haben aber schon lange keinen Kontakt mehr, als Juri in den Sommerferien plötzliche eine Sprachnachricht von Ava bekommt. Angeblich hat sie hat seine Handynummer beim Aufräumen gefunden. Sie will nur ein bisschen quatschen, damit die Zeit rumgeht, denn ihr ist langweilig, weil sie die letzten beiden Ferienwochen Hausarrest hat. "Wegen so einer Sache."

Hausarrest wegen "so einer Sache"

Was für eine Sache das ist, das verrät Ava erstmal nicht. Stattdessen denkt sie sich lauter Geschichten aus, die offensichtlich erfunden sind. Dass sie ein Alpaka aus dem Zoo entführt und in ihrem Schrank versteckt hat. Oder dass sie das Denkmal auf dem Marktplatz blau angemalt hat. Oder dass sie drei Autos angezündet hat und im Museum alle Bilder auf den Kopf gedreht hat. Die Wahrheit ist lahm, schreibt sie Juri. So wie alles in ihrem Leben lahm ist, seit sie Hausarrest hat und in ihrem Zimmer festsitzt und nicht mit ihren Freunden ins Freibad gehen kann. Juri dagegen sitzt freiwillig in seinem Zimmer. Er ist lieber drinnen. Ihm ist es draußen zu laut, zu grell und zu viel.

Komischer Vogel trifft Astronaut

Juri und Ava sind sehr unterschiedliche Figuren. Das wird schon an der Art ihrer Nachrichten deutlich. Während Ava Sprachnachrichten schickt, ich denen sie einfach drauflos sprudelt, antwortet Juri ihr mit sehr zurückhaltenden Textnachrichten. Ava hat ihn ja auch ziemlich überrumpelt. Er lässt sich aber trotzdem auf die Unterhaltung mit ihr ein, die mit jedem Tag ein bisschen tiefer wird. Sie tauschen Erinnerungen an die Grundschulzeit aus. An ein Freundebuch, in das alle Kinder aus der Klasse ihr Lieblingsessen, ihren Traumberuf oder den Namen ihres Kuscheltiers schreiben sollten, und das Juri nicht zurückgegeben hat, weil ihm seine Antworten peinlich waren. Und an ein Kostümfest, auf dem Ava ein "Komischer Vogel" war und Juri Astronaut. Der Komische Vogel und der Astronaut ziehen sich wie ein roter Faden in den Illustrationen von Sarah Maus durch das Buch. Sie reden über Joghurteis mit Himbeersauce, über Pommes im Freibad und darüber wie ihre Zimmer aussehen. Aber auch über die schlimmsten Geburtstage, die peinlichsten Momente und ihre größten Ängste.

Die Welt fliegt hoch

Sarah Jäger gelingt es, ganz viel von den Gefühlen und den Stimmungen ihrer Protagonisten in diese kurzen Nachrichten zu packen. Man kann erleben, wie die Freundschaft zwischen den beiden, in den zehn Tagen, in denen sie sich Nachrichten schicken, wächst. Und während die beiden sich annähern und immer mehr über sich preisgeben, wachsen sie einem auch als Leserin immer mehr ans Herz. Der verschlossene Juri öffnet sich gegenüber Ava und erzählt ihr, warum er lieber den ganzen Tag in seinem Zimmer hockt, statt sich mit Gleichaltrigen zu treffen. Dass seine Ängste schon mit dem Schwimmunterricht in der Grundschule angefangen haben und immer schlimmer geworden sind. So schlimm, dass er manchmal denkt, die Welt fliegt hoch und er verliert völlig den Halt. Und Ava, die am liebsten den ganzen Tag unter Leuten ist und immer was erleben muss, schlägt Juri gegenüber nachdenklichere Töne an. Wenn sie zum Beispiel von ihrer Familie erzählt. Von ihren getrennten Eltern und dem doppelten Alltag. Manchmal fürchtet sie, dass ihre Eltern ganz froh sind, dass sie zwischendurch mal Pause von ihr haben, dass die Hälfte von ihr genug für sie ist, weil man sich an der kompletten Packung Ava doch ziemlich schnell überfressen kann.

Unerwartete Wendung hält die Spannung hoch

Sarah Jäger hat schon in ihrem Debütroman "Nach vorn, nach Süden" - der schönsten Roadnovel seit "Tschick" - bewiesen, wie gut sie sich in die Gefühlswelt von Jugendlichen einfühlen kann. Das ist ihr auch diesmal wieder ganz großartig gelungen. Und gleichzeitig schafft sie es durch eine unerwartete Wendung, die Spannung bis zur letzten Seite hochzuhalten.

Sarah Hartl, rbbKultur

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