Schlosspark Theater: The Addams Family © DERDEHMEL/Urbschat
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Seefestival Wustrau - "The Addams Family"

Bewertung:

Erfunden wurde die exzentrische "Addams Family" in den 30er Jahren von Cartoonzeichner Charles Addams für das Magazin "The New Yorker". Seitdem hat sie viele Wandlungen durchlaufen: als Realfilm und Animation, in Serie und als Spielfilm-Trilogie - und seit 2009 auch als Broadway Musical. Gesine und Marten Sand brachten das Musical - oder besser "Grusical" - als Regisseur und Choreografin in Berlin auf die Bühne des Schlosspark Theaters. Ab morgen ist das Stück beim Seefestival in Wustrau zu sehen.

"Bist du unglücklich, Liebling?", fragt Gomez hingebungsvoll und seine Angetraute Morticia haucht ihm ein lustvolles "Ja, völlig!" entgegen. In der Familie Addams ist die Wahrnehmung traditionell verschoben, was Normalsterbliche schrecklich, beängstigend, bedrohlich oder deprimierend finden, bereitet hier Vergnügen und Lust. Und umgekehrt finden sie hässlich, was die anderen schön finden, weshalb Morticia auch mal die roten Köpfe der Rosen kappt, bevor sie die Stiele in der Vase arrangiert.

Angst und Schrecken für die einen, Freude und Lust für die anderen

"Verrückt sein ist relativ", hieß es auf dem Plakat des ersten Kinofilms. 2009 wurde das Musical erst in Chicago und dann am Broadway höchst erfolgreich - mehr als 700 Mal - aufgeführt, mit Nathan Lane in der Rolle des Gomez Addams:

"Ah, the intoxicating spell of the graveyard, once a year when the last leaves of autumn fall, we gather to honor the great cycle of live and death, every member of our clan, living dead and undecisive, and let us celebrate to be, what it is, to be an Addams…."

Die New Yorker Produktion als Inspiration

Eine dieser Aufführungen haben vor vielen Jahren Marten und Gesine Sand gesehen, die seit 19 Jahren auf dem Seefestival im brandenburgischen Wustrau ein Sommerfreilichttheater betreiben:

"Wir haben seit vielen Jahren Musicals, musikalische Produktionen oder Schauspiel mit Musik auf dem Programm. Eine wirkliche Erfolgsproduktion, die sowohl bei uns lief als auch hier im Schlosspark Theater, in Dessau und im Mitteldeutschen Theater war das Musical 'Spamalot'. Das lief so erfolgreich, dass wir beide nach einem Nachfolge-Musical gesucht haben, wo man diese tolle Musik hat, denn eine Band oder gar ein Orchester können wir uns nicht leisten."

Romeo und Julia mit komischen Schauermomenten

Nach "Spamalot", einer Musicalversion von Monty Pythons "Die Ritter der Kokosnuss", ist jetzt der Traum wahrgeworden, die "Addams Family" in Deutschland auf die Bühne zu bringen - mit einer hochkarätigen Besetzung mit Musicaldarstellern von der Komischen Oper, dem Theater des Westens und dem Friedrichstadtpalast in Berlin und dem Wiener Burgtheater.

Ähnlich wie in der erfolgreichen Netflix-Serie "Wednesday" verlagert sich auch hier der Fokus von der Kernfamilie der Addams auf die älteste Tochter Wednesday, die im Musical schon volljährig ist und einen gewissen Lukas Beineke heiraten will, ein Sohn aus gutem - aus der Addams-Perspektive also spießigem - Haus. Eine Art Romeo und Julia-Geschichte, die sich hier weniger tragisch entwickelt, stattdessen universelle Familienwerte auf absurd-komische Weise verhandelt, etwa wenn Claudio Maniscalco als Gomez nach einem Streit mit Morticia seinen Kummer singend ventiliert:

"Heute nicht, aber Morticia, heute nicht! Nie hätt' ich gedacht, dass so ein Tag mal kommt, (...) hätte nie gedacht, dass es so mein Herz zerbombt, heute nicht, was sie für Worte spricht…"

Um dann einen Versöhnungstrip nach Paris zu planen - natürlich unter völlig anderen Kriterien als die sogenannten "normalen" Menschen:

"Hotel Merde, in der Rue de Toilette, sechs Mal vom Gesundheitsamt geschlossen, ah gut… jetzt endgültig geschlossen. Ah, auf der letzten Seite, Hotel Nosferatu, keine Fenster, keine Handtücher, es fehlen Steckdosen, schmutzige Wände, schrecklicher Geruch, schimmelige Dusche, Kakerlaken überall! Bingo! Das ist das mieseste Hotel in Paris! Das nehmen wir!"

Klassische Familienwerte

Auf der Bühne steht ein knorriger Baum, der jedem Friedhof zur Ehre gereichen würde, Kostüme und Frisuren der Addams-Familienmitglieder orientieren sich am klassischen Dresscode: viel Schwarz, mit Akzenten in rot und weiß, und Johannes Hallervorden, der einen ungewohnt großen Vester gibt, trägt graubraunen Filz.

Fast 100 Jahre alt ist der Originalstoff von Charles Addams. Was er uns heute noch zu sagen hat, erklärt Gesine Sand, Choreografin der Berliner Inszenierung: "Ich denke, das Wesentliche ist die Geschichte, dass die Familie Addams für uns im ersten Moment sicherlich etwas befremdlich erscheint, anders ist und wir im Laufe des Stückes als Zuschauer doch wahrnehmen, dass ihnen Werte wie Ehrlichkeit, Treue, Liebe ganz wichtig sind und dass die Familie Addams eigentlich ein großes Vorbild sein sollte. Das andere ist der Spaß der Umkehrung: dass das Gute böse und das Böse gut ist und dass es vielleicht auch etwas Leichtigkeit gibt, dass man öfters mal ein bisschen lachen sollte."

Die Netflix-Serie "Wednesday" zieht Aufmerksamkeit für die "Addams Family"

Geradezu dankbar sind Marten und Gesine Sand darüber, dass ihnen die beliebte Netflix-Serie um Wednesday, die Tochter des Addams-Clans, Rückenwind verschafft hat: "Das ist die beste Werbung, die man haben kann. Mit 'Wednesday' ist die 'Addams Family' jetzt natürlich wieder ganz präsent und gerade beim jungen Publikum kommt sie sehr gut an."

Anke Sterneborg, rbbKultur