Volksbühne: Das Leben ein Traum © Gordon Welters
Gordon Welters
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Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz - "Das Leben ein Traum"

Bewertung:

"Das Leben ist ein Traum" ist ein Klassiker des spanischen Theaters des 17. Jahrhunderts - und eines der bekanntesten Versdramen von Pedro Calderón de la Barca. Clemens Maria Schönborn hat es mit Sophie Rois und Silvia Rieger für die Volksbühne inszeniert. Es ist die erste Premiere am Haus nach dem Tod des Volksbühnen-Intendanten und Regisseurs René Pollesch.

Dass dieser Abend die großen Fragen des Dichters von Leben und Tod, Traum und Realität, Schicksal und Willensfreiheit auf Bildschirmgröße verzwergen würde, ließ sich noch vor Szene Eins erahnen. Während das Publikum den Saal betritt, läuft auf dem kleinen Fernseher neben der Ledercouch auf der Bühne nämlich ein Eishockeyspiel: Russland gegen Deutschland. Und da punktet in Endlosschleife die deutsche Mannschaft.

Weiß der Himmel, was das mit dem Läuterungsdrama aus dem 17. Jahrhundert zu tun hat, das sich doch zwischen Russland und Polen abspielt – aber nach Details und Logik fragt man hier besser nicht.

Von der "bucklingen Verwandtschaft aus Russland"

Der Fernseher ist mitsamt Couch denn auch bald in der Unterbühne versenkt. Auf der jetzt zu sehenden schneeweißen Erdscheibe probt Silvia Rieger nun als polnischer Herrscher Basilius im barocken Königsgewand das große Pathos. Seinen Sohn Sigismund hat Basilius in einem Turm eingekerkert, denn die Sterne haben ihm dessen Schreckensherrschaft vorausgedeutet. Das Horoskop sieht der König schon durch Sigismunds Geburt bestätigt:

"Brachte er doch seiner Mutter den Tod. Und schien zu der ihr angetanen Grausamkeit zu sagen: Ein Mensch bin ich. Und ich belohne von Anfang an Wohltaten schlecht."

Doch schon in der nächsten Szene ist es wieder vorbei mit Calderón und die, Zitat, "bucklige Verwandtschaft aus Russland" streitet sich um den Thron: "Bei dir piept’s doch!", ruft Kerstin Graßmann als berlinernde russische Cousine. "Und wie du vielleicht weißt: Ich werde Königin!"

Ein zerfranster Abend mit einer unverkennbaren Sophie Rois

Und als der Thronfolger Sigismund dann doch für einen Tag als Traum getarnt herrschen darf, faltet er erst mal lautstark seinen Vater zusammen: "Er hat die Peitsche genommen und ihnen in die Fresse gehauen. Und das kann dir auch passieren, du altes Schwein!"

Volksbühne: Das Leben ein Traum © Gordon Welters
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Unverkennbar ist es Sophie Rois, die sich hier rau durch ihre Rolle als weggesperrter Prinz krakeelt, der plötzlich das Leben und die Freiheit schmeckt. Ein Kaspar Hauser, ein naiver Parzival. Augenzwinkernd und trotzig, wie es eben nur Sophie Rois kann. Wie immer spielt sie die Hauptrolle in Clemens Schönborns Inszenierung und bringt hier so etwas wie Sinn in den zerfransten Abend.

Imitation der Castorf- und Pollesch-Volksbühne

Zwar fehlt darin so ziemlich alles, was das rätselhafte, wuchtige, shakespearhafte Lehrstück um den Willen und das Wesen des Menschseins ausmacht, doch zumindest ringt Rois der Inszenierung ein kleines Vater-Sohn-Drama ab, als sie wissen möchte, was dem Vater das Recht gibt, das Leben des Sohnes einzukerkern.

Die meiste Zeit versucht der Regisseur Schönborn jedoch epigonenhaft den rotzigen Ton der Castorf- und Pollesch-Volksbühne zu imitieren. Bis sie am Ende wieder nach oben fahren: die Couch und der Fernseher vom Anfang. Jetzt quetscht sich die ganze russische und polnische Familie auf Sofa und guckt "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel", während der Vater Kalendersprüche vom Stapel lässt.

Die Hölle, das ist die Familie, soll das wohl heißen. Für einen Höllenritt ist der Abend allerdings viel zu lau geraten.

Barbara Behrendt, rbbKultur