Deutsche Oper Berlin – Intermezzo, hier: Philipp Jekal (Hofkapellmeister Robert Storch) und Maria Bengtsson (Christine); © Monika Rittershaus
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Deutsche Oper Berlin - "Intermezzo" von Richard Strauss

Bewertung:

"Intermezzo", so heißt die vermutlich meistverachtete Oper von Richard Strauss. Hofmannsthal und Hermann Bahr lehnten es ab, für diese "bürgerliche Komödie" das Ehe-Libretto zu schreiben, das sich Strauss wünschte. Also verfasste er es selbst. Und zwar sehr autobiografisch. Es geht um das Eheleben des Komponisten mit der legendären Pauline de Ahna. Gestern fand eine der wenigen Neuinszenierungen des Werkes an der Deutschen Oper statt – in der Regie von Tobias Kratzer.

 

"Intermezzo", Richard Strauss’ einzig haltbarer Beitrag zu den 20er Jahren (die ihn zutiefst irritierten), hat von jeher alle Vornehmheits- und Überlegenheitsreflexe gereizt, mit denen man auf ein Werk nur herabblicken kann. Es wird herzlich verachtet. Hofmannsthal und Bahr hatten sich geweigert, zu dieser autobiografischen Ehe-Komödie das Libretto zu liefern. Also schrieb Strauss es selbst. Das Werk enthält, allen Vorbehalten unerachtet, etliches vom Besten, was der Komponist nach dem "Rosenkavalier" überhaupt komponiert hat. Und zwar in Gestalt der sinfonischen Zwischenspiele.

Inhaltlich geht es um die scheinbare Affaire eines Kapellmeisters, in welchem sich Strauss selbst portraitierte; während die hysterische Ehefrau zeitgleich selber mit einem "Galan" turtelt. Die Story besitzt ungefähr die Fallhöhe von einem Frühstücks-Ei, das vom Teelöffel auf den Teller herunter plumpst. Ich habe das Stück von jeher geliebt, so kurios es ist.

Kratzer erlaubt sich einige Übergriffe

Regisseur Tobias Kratzer scheint auch Zuneigung dafür aufzubringen. Die 13 Szenen behandelt er, als wären sie selber Zwischenspiele zu den musikalischen Intermezzi von "Intermezzo". Kommen die Orchesterzwischenspiele dran, so senkt sich über der Szene eine Leinwand, man sieht das Orchester spielen. Für die Szenen selbst öffnet sich eine breite Luke – fast so, als säßen wir in der Peep-Show.

Kratzer aktualisiert die Handlung und erlaubt sich einige Übergriffe. Der "Ball beim Grundlseewirt" (die Szenenüberschriften werden eingeblendet) ist das Hotelzimmer, in dem die Ehefrau mit dem Liebhaber ins Bett geht. (Ist im Stück eigentlich nicht so.) Es wird viel "gerodelt" … Der Liebhaber schließlich sieht aus wie eine Cameo-Ausgabe des Regisseurs (mit Basecap und weißem T-Shirt über der Wampe). Der an eigentlich schuldige Kapellmeister Stroh (ganz tolle Rolle für Clemens Bieber!) gleicht mit Vokulila-Halbglatze dem Dirigenten Donald Runnicles. Man lacht. Kratzer hat Glück gehabt.

Deutsche Oper Berlin – Intermezzo, hier: Markus Brück (Notar) und Maria Bengtsson (Christine); © Monika Rittershaus
Bild: Monika Rittershaus

Das Orchester ist aus "berlinerischem Holz" geschnitzt

"Intermezzo", stilistisch gesehen, ist eine Parlando-Oper ohne Arien. Eigentlich eine Parlandissimo- oder Plapperissimo-Oper. Es wird wahnsinnig schnell gesungen, was den Darstellern ordentlich Mühe macht. Maria Bengtsson bei ihrem Rollendebüt hat ihre Liebe Müh‘ – mit toller Stimme. Philipp Jekal und Thomas Blondelle schlagen sich wacker. Ohne Übertitel wäre man geliefert.

Auf Dirigent Runnicles lastet umso mehr Gewicht. Ihm ist anzurechnen, dass er sich dieser schwierigen Aufgabe unterzieht. An Kirill Petrenko, vor Jahren in Wien, kommt er hier nicht heran. Wohl auch, weil das Orchester der Deutschen Oper aus, man muss es sagen: etwas berlinischerem Holz geschnitzt ist. Man realisiert dennoch, was gut ist an diesem Werk.

Intelligenter Umgang mit einem problematischen Stück

Vollumfänglich zu retten ist "Intermezzo" an einem so großen Haus vermutlich nicht. (Uraufgeführt wurde es vor genau 100 Jahren nicht zufällig am Dresdener Schauspielhaus.) Die altbackene Ehe-Philosophie samt finaler Abbitte der Ehefrau kann uns gestohlen bleiben – und lässt sich wohl nur so handhaben, dass – wie hier geschehen – die Primadonna am Ende das Textbuch zu Boden schleudert.

Dennoch: Einhellige Zustimmung, ja Jubel an diesem Premierenabend. Weil intelligent umgegangen wird mit einem problematischen Stück. Nach Kratzers Reinfall mit "Arabella" ist dies seine bislang beste Arbeit in Berlin – immer freilich nach dem "Floß der Medusa" (von Henze an der Komischen Oper). Das war noch besser.

Kai Luehrs-Kaiser, radio3

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