Klavierduo Neeb: Sparks of Spirit © Audite
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Album der Woche | 11.03. - 17.03.2024 - Klavierduo Neeb: "Sparks of Spirit"

Das Klavierduo Neeb, das sind die Geschwister Vincent und Sophie, die beide getrennte Ausbildungen absolvierten und doch nie ihr Duo-Spiel aus den Augen verloren. Nun legen sie ihr zweites Album vor: "Sparks of Spirit".

Wie froh können sich Eltern schätzen, wenn ihre Kinder ein gemeinsames "Geschwisterding" haben. Für Vincent und Sophie Neeb, heute 26 und 24 Jahre als, war es das Möbelstück mit 88 Tasten. Sophie schaut, was der Bruder am Klavier vollbringt und steigt mit ein.

Ein Instrument, verschiedene Lehrer

Geschwister-Zwist am Klavier haben die beiden kaum ausgetragen. Sie sehen es klar als Bereicherung, dass sie mit zehn und zwölf Jahren das Duo-Spiel ernster nahmen. Als sich beide später für ein Klavierstudium entschieden, wählten sich gezielt verschiedene Studienorte und Lehrer, so Sophie Neeb: "Wir haben gemerkt, dass das viel bringt, wenn wir unterschiedlichen Input haben, es unser Spiel gut voranbringt, wenn man verschiedene Sichtweisen einbauen kann."

Der gemeinsame Erfolg stellte sich ein: bei Wettbewerben, in Konzerten. Mit erstaunlicher Perfektion, mit einer bestechenden Einigkeit treten die beiden Neeb-Geschwister auch auf ihrer inzwischen zweiten CD "Sparks of Spirit" auf.

Komponisten mit biografischen Brüchen

"Geistesblitze" haben sie ihr Album genannt. Die Wahl fiel auf vier Komponisten: Bach, Reger, Rachmaninow und Schubert. Allesamt Komponisten mit Brüchen in den Biografien. Sie wählten Werke, die nach einer schwierigen Zeit entstanden als Befreiung von der Schreibblockade: "Diese neue Lebensfreude, die neue Schaffenskraft, die kommt in jedem Stück durch", so Vincent Neeb.

Klavierduo Neeb: Vincent u. Sophie Neeb © schneiderphotography
Sophie u. Vincent NeebBild: schneiderphotography

Schreiben für die Muse

Zum Beispiel beim unglücklich verliebten Franz Schubert, der 1824 die Anstellung als Klavierlehrer für zwei junge Esterhazy-Gräfinnen erhielt. Dabei verliebte er sich in eine der beiden, in die unerreichbare Caroline, dass es ihm die Sommerfrische mehr als trübte. Denn Caroline erwiderte die Liebe zur Musik, aber nicht seine. Schubert muss sich einen Moment fangen, um wieder komponieren zu können. Ab sofort für sie, als ferne Muse, am liebsten Klaviermusik zu vier Händen.

Raus aus der Stadt

Oder der frustrierte junge Max Reger, der seiner Zeit voraus war, am Publikum vorbeikomponierte und seine Erfolgs- wie Hilflosigkeit im Alkohol ertränkte. "Und schließlich hat ihn dann seine Schwester überredet, wieder mit in die Oberpfalz ins Elternhaus zu kommen, um sich da zu erholen. Da ging es ihm dann sehr schnell wieder besser und hat er unglaublich viel geschrieben", und Sophie Neeb ergänzt ihren Bruder, dass man in einigen Passagen seiner Cinq pièces pittoresques op. 34 bayerische Volksmusik, wie im Hintergrund, vernehmen könne.

Raffiniert erfassen die Geschwister Neeb besonders in diesen fünf kurzen Stücken die schnellen Stimmungsschwankungen, die auf die Sekunde genau im Einvernehmen unter ihren Händen entstehen. Technische Perfektion für die gemeinsame Sicht. Egal, ob auf einer Tastatur oder auf zwei Instrumenten, wie in dieser persönlichen Bearbeitung eines Bach-Konzertes.

Eigene Bach-Bearbeitung

Beide spielen das Bach-Konzert für zwei Cembali c-moll BWV 1062 gern im Konzert. Und doch ist ihnen immer wieder aufgefallen, dass die Balance zwischen Orchester und den modernen Flügeln nicht einfach zu halten sei. In dieser Fassung holen sie das Werk ganz zu sich, ganz ohne Begleitungsinstrumente.

Klare Strenge, aber voller Klangfülle. Beide spielen, was sie in Bachs Musik hören: eine unbändige Musizierfreude, die Bach trotz straff organisierten bis ärgerlichen Thomaner-Kirchen-Kantaten-Lieferungs-Prozederes in Leipzig nie verloren gegangen ist.

Brillianter Album-Abschluss

Zum Schluss ein pianistisches Feuerwerk von Sergei Rachmaninow, der sich nach ärztlicher Behandlung aus seiner Schreibblockade befreien konnte und schon am zweiten Klavierkonzert getüftelte, während er sich nebenbei freikomponierte mit der Suite für zwei Klaviere op. 17 und mit seinem Cousin auch uraufführte. Dieses Stück war für Rachmaninow immer ein Werk, das für ihn Verheißung neuen Lebens bedeutete. Und diese Lebensfunken sprühen auch in ihrem Spiel.

Man möchte beiden, Vincent und Sophie Neeb, die Daumen drücken für die jeweils eigene Pianistenkarriere - aber nur unter einer Bedingung: Sie mögen nie die Lust verlieren an ihrem wunderbaren gemeinsamen "Geschwisterding".

Cornelia de Reese, rbbKultur