The Trondheim Concertos – Sigurd Imsen und das Baroque Ensemble of the Trondheim Symphony Orchestra; Montage: rbbKultur
Bild: 2L

Album der Woche | 23.10. - 29.10.2023 - "The Trondheim Concertos"

Das Barockensemble des Trondheim Sinfonieorchesters war bislang nur eine lokale Berühmtheit. Doch mit seinem Album "The Trondheim Concertos" ändert sich dies nun schlagartig. Mit Erstaufnahmen von zwei Violinkonzerten und einer Sonate stellt es interessante Ausgrabungen vor. Die Krone setzt dem Album aber die fantastische Aufnahmetechnik auf.

The Trondheim Concertos  – Aufnahme in der Lademoen Kirche; © Morten Lindberg/2L
Lademoen Kirche | Bild: Morten Lindberg/2L

Wie von einem wärmenden Mantel wird man vom ersten Augenblick an vom Klang des Ensembles umhüllt. Die im Surround-Verfahren produzierte Aufnahme ist überaus räumlich, besitzt aber nicht zu viel Hall. Wunderbar kann man die einzelnen Instrumente heraushören, mit der Solo-Violine von Sigurd Imsen im Zentrum.

Die Spezialität des Tonmeisters Morten Lindberg, Gründer des Labels 2L, sind Aufnahmen in größeren Räumen wie hier in der Trondheimer Lademoen-Kirche. Dort kreiert er dann einen Sound, der zugleich offen und intim wirkt – so ist ihm ein Meisterwerk audiophiler Aufnahmekunst gelungen!

Notenschatz

Norwegen hat nur eine kleine Alte-Musik-Szene und im Land haben sich auch nur wenige Noten aus dem 18. Jahrhundert erhalten. Die große Ausnahme betrifft eine Manuskriptsammlung in der Trondheimer Gunnerus-Bibliothek. Sie geht auf den aus Ostpreußen eingewanderten Stadtmusiker und Gelehrten Johan Daniel Berlin zurück und umfasst Abschriften von Sinfonien, Konzerten, Ouvertüren und Arien aus vielen Teilen Europas.

Reichtum

Das mittelnorwegische Trondheim war damals eine prosperierende Gemeinde, die durch den Export von Kupfer, Holz und Fisch reich wurde. Ebenso wie Norwegen war Schleswig-Holstein Teil des dänischen Königreiches, und von dort waren Handelsleute und Unternehmer nach Trondheim zugewandert. Sie nutzten ihre Kontakte, um Luxusgüter zu importieren und über die neuesten Trends in Mode und Kultur auf dem Laufenden zu bleiben.

The Trondheim Concertos  – Sigurd Imsen; © Morten Lindberg/2L
Sigurd Imsen | Bild: Morten Lindberg/2L

Ausgrabungen

Der Geiger Sigurd Imsen stellte für das Album ein Programm mit drei Erstaufnahmen zusammen. Ein Violinkonzert in G-Dur stammt von dem Eichstätter Kapellmeister Joseph Meck. Es besitzt vier Sätze und beginnt – für ein barockes Solo-Konzert überraschend – mit einem langsamen Satz.

Eine Reihe der in der Gunnerus-Sammlung erhaltenen Werke sind anonym überliefert, während bei einem Konzert in c-Moll als Autor ein "Sigr Opfermand" angegeben ist. Bisher konnte kein Komponist dieses Namens identifiziert werden. Sein interessantes Werk weist schon aus dem Barock hinaus.

Überraschung

Zwischen den "Trondheim Concertos" des Albums taucht überraschend eine "Sonate a Cembalo, Violino è Violoncello" auf. Diese Erstaufnahme verdankt ihre Existenz auf der CD den Regeln der norwegischen Kulturförderung. Um für die Produktion eines Albums öffentliche Zuschüsse erhalten zu können, muss sich darauf ein nachweislich norwegisches Werk befinden.

Da dies bei den Violinkonzerten nicht der Fall ist, ergänzte man das Programm um die Sonate von Johan Henrich Berlin, einem der Söhne von Johan Daniel Berlin und ebenfalls Trondheimer Stadtmusiker. Das um 1780 entstandene Trio liefert eine spannende neue Klangfacette, zumal Christina Kobb hier nicht auf einem Cembalo, sondern – historisch angebracht – auf einem Hammerklavier spielt.

Überzeugend

Sigurd Imsen hat zunächst in Oslo moderne Violine studiert, bevor er sich insbesondere in Österreich auch im Barockbereich weiterbildete. Nachdem vor etwa zehn Jahren in Trondheim ein Alte-Musik-Festival gegründet worden war, trieb er die Arbeit des Barockensembles des Trondheim Sinfonieorchesters als Primus inter pares voran.

Auf dem neuen Album zeigt sich das kleine Ensemble hellwach und begeisternd im Zusammenspiel. Imsen selbst überzeugt mit intonationssicherem Vortrag und mit feinen Phrasierungen. Dabei pflegt er einen eigenen Musizierstil, zu dem er erklärt: "Ich glaube, ich spiele ein wenig anders als die meisten Barockgeiger heutzutage, mehr melodisch. Mein Bogen liegt mehr auf der Saite, ich spiele mehr legato."

Schlusspointe

Mit dem abschließenden Violinkonzert gibt es beim Hören des Albums dann noch einmal eine Überraschung. Denn auf drei Repertoireausgrabungen folgt hier eine Komposition eines berühmten Meisters. Das Concerto, dem man in England wegen seiner Vogelstimmen-Imitationen den Beinamen "The Cuckow" gab, stammt von Antonio Vivaldi. Sigurd Imsen nahm das Stück allerdings nicht wegen seiner möglichen verkaufssteigernden Wirkung auf: "Ich wollte Vivaldi zeigen, damit wir die unbekannten Stücke mit Vivaldi vergleichen können. Und es gibt dieses und andere Konzerte von Vivaldi in der Gunnerus-Sammlung, also warum sollten wir es nicht spielen?"

Rainer Baumgärtner, rbbKultur