Sojasauce im Fass © Wang Changyu/XinHua / dpa
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Sojasauce im Fass (China, Guizhou) | Bild: Wang Changyu/XinHua / dpa

Umami-Universalie - Sojasauce

Seit Jahrzehnten sind asiatische Restaurants bei uns beliebt. Sie üben einen beachtlichen Einfluss auf die zeitgenössische Alltagsküche aus. Ein halbes Dutzend einschlägiger Zutaten kann sich mittlerweile als eingemeindet betrachten: Ingwer, Kokosmilch, Koriandergrün, Wasabi, die klirrend süße Chicken-Sauce und vor allem: die Sojasauce.

Ihre Bedeutung in fast in allen Lebens- und Nahrungslagen wird seit kurzer Zeit von Erzeugnissen aus kleinen Handwerksbetrieben, besser wohl: Sojasaucen-Brauereien aktualisiert. In der Regel befinden sie sich in Japan, aber inzwischen gibt es sogar von deutschen Spitzenköchen Gebrautes im Handel. Diese Manufakturen bedienen sich altehrwürdiger Fermentationsmethoden, um eine authentische Flüssigwürze zu erschaffen.

Einsatz wirkungsvoll unterhalb der Wahrnehmungsschwelle

Den überwiegend aggressiv gesalzenen und mit synthetischen Aromen versetzten Industrieprodukten aus China, Japan, Korea, Vietnam und Indonesien hat sie entscheidende aromatische Reize voraus. Selber enorm tief im Geschmack, gleitet dieses durch mikrobielle Umwandlung entstandene Elixier weiter in die Tiefe, sowohl in die des Gerichts als auch auch in die des persönlichen Genusserlebens. Außerdem überzeugt dieser vegetarische Bratensaft mit unverkennbarer Natürlichkeit.

Eine solche Sojasauce gehört zu den wenigen Zutaten, die bereits kommunizieren, bevor sie vom Speisenden verstanden werden; dies bedingt auch, dass man handwerklich erzeugte Saucen wirkungsvoll unterhalb der Wahrnehmungsschwelle einsetzen kann. Weil der Speisende es nicht (so leicht) auf den Begriff zu bringen vermag (etwa im Salatdressing, im Omelett, in einer Soja-Butter oder auch in einer Karamellcrème), kommt eine erhöhte kulinarische Wirklichkeit zustande.

Spitzenerzeuger aus Berlin

Mit Markus Shimizu, Inhaber von "Mimi Ferments", besitzt Berlin einen absoluten Spitzenerzeuger auf diesem Gebiet. Dessen herzhafte Version "Einkorn Koikuchi Shoyu" sowie die zarte, weißweinfarbige, im Whiskyfass gereifte "Soba Shiro Shoyu" verwandeln duftige kulinarische Aquarelle im Handumdrehen in satte Gemälde.

Umami - der fünfte Geschmackssinn

Der wichtigste Bestandteil der dunkelbraunen, fast schwarzen Sauce ist Umami, vulgo Glutamat. Es handelt sich dabei um einen Signalstoff für hochwertige proteinreiche Kost, vorwiegend tierischen Ursprungs. Es spricht die Rezeptoren des sogenannten fünften Geschmackssinns an. Interessant ist, dass die auf diesem Wege avisierten Nährstoffe überhaupt nicht vorhanden sein müssen. In der modernen Ernährung warten statt ihrer häufig industriell erzeugte Geschmackverstärker – darunter reines Glutamatpulver sowie eben auch die Sojasauce – mit dem Eindruck vollmundiger, anhaltender Würze auf. Sie versehen Speisen mit der essentiellen Aura des Fleischigen.

Das von vielen als suchterzeugend gefürchtete Glutamat ist bereits ab der Muttermilch fester Bestandteil unserer Nahrung. Ganz entscheidend prägt es den Charakter von Brühen, Fonds, Schmorgerichten und Fleischextrakten. Die Beliebtheit von gereiftem Käse, Salami und Schinken sowie diverser Pilze ist ebenso auf Glutamat zurückzuführen wie die von Hefeflocken aus dem Reformhaus, japanischem Miso und thailändischer Fischsauce. In Italien werden Parmesan, Sardellen und Tomatenmark wegen ihres hohen Glutamatgehalts seit jeher als Booster eingesetzt. Mit dem vollständig aus Tomaten gewonnenen Sirup "Tomami" gibt es mittlerweile sogar eine innovative Alternative zur klassischen Sojasauce.

Zum Thema dieser Umami-Universalie gehört natürlich auch "Maggi", das im Fernen Osten als exotisch betrachtet wird. Bei uns dagegen steht das Produkt aus Singen am Hohentwiel eher für die Pubertät des Geschmackssinns.

Thomas Platt, radio3

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