Maurice Steger: A Tribute to Bach © Berlin Classics
Bild: Berlin Classics

Album der Woche | 25.09. - 01.10.2023 - Maurice Steger: A Tribute to Bach

Der Schweizer Maurice Steger ist seit vielen Jahren einer der führenden Blockflötisten der Welt. Auf seinem neuen Album "A Tribut to Bach" hat er nun erstmals Musik von Johann Sebastian Bach aufgenommen. Selbst wenn die Werke für andere Instrumente komponiert wurden, so klingen sie bei ihm doch so, als seien sie für die Blockflöte geschaffen worden.

Es sei einfach Zeit für das Bach-Projekt gewesen, sagt Steger, der sich schon lange mit der Musik des Thomaskantors beschäftigt und sie in Konzerten aufführt. Dass er das Gefühl hatte, nun sei die Zeit reif für die Aufnahme, hat auch damit zu tun, wie überaus zufrieden er mit der Zusammenarbeit mit dem wandelbaren Baseler Barockorchester La Cetra ist.

Blockflötenfreund Bach

Bach muss die Blockflöte sehr geschätzt haben, denn er hat sie in diversen Vokal- und Instrumentalwerken eingesetzt. Doch eine repräsentative Solo-Komposition hat er nicht für das kleine hölzerne Blasinstrument hinterlassen. Maurice Steger bedauert dies sehr und behalf sich damit, dass er Werke einspielte, die für Traversflöte geschrieben sind oder die eine klangliche Nähe zu seinem Instrument besitzen – wenn es sich etwa um Kompositionen für Orgel handelt, die in ihrer Tonerzeugung der Blockflöte ähnelt. Mit Konzerten, Sonaten und dem Ricercar à 6 aus dem "Musikalischen Opfer" hat er unterschiedliche musikalische Genres berücksichtigt.

Keine Bearbeitungen!

Sein Credo beim Zusammenstellen war dabei: keine Bearbeitungen! Er führt alle Werke notentreu auf, lediglich in einer anderen Besetzung. Es war ihm wichtig, "im Originalkontext mit den Tonarten und instrumentalen Farben zu arbeiten, die Bach verwendet hat." Damit hebt Steger sich von den vielen Arrangeuren der Musik Johann Sebastian Bachs ab. Seine Aneignung sollte keinesfalls eine Spielerei sein oder "mittels einer Operation an dieser Musik noch irgendetwas besser machen oder gar kitschig hervorheben" wollen. Was Bach sich vorgestellt habe, versuche er nun "mit der Blockflöte möglichst organisch, logisch, sinnvoll, intelligent und musikalisch zu tun."

Transkriptionen

Steger knüpft mit seinen Transkriptionen an Bachs eigene Praxis an, ältere Werke wieder aufzugreifen und neu zu instrumentieren. Ein Beispiel dafür ist das Cembalokonzert BWV 1057, das auf dem vierten "Brandenburgischen Konzert" beruht. In der späteren Leipziger Fassung wies Bach den beiden beteiligten Blockflöten eine veränderte Rolle zu, die ihnen mehr Spielraum lässt. In dieser Version hat Maurice Steger das Werk aufgenommen, wobei der Cembalist Sebastian Wienand und der Fagottist/Blockflötist Claudius Kamp von La Cetra die weiteren Solistenrollen übernahmen.

Maurice Steger, Blockflötist © Nicolaj Lund
Bild: Nicolaj Lund

Spiegel der Zeit

Stegers "Tribut an Bach" wirft mittelbar nicht nur ein Licht auf Bachs kompositorisches Vorgehen, sondern auch auf das Schicksal der Blockflöte am Ende des Barock. Wohl bei seinem Berlinbesuch im Jahr 1741 schrieb Bach eine Sonate in E-Dur für die modische Traversflöte. Dieses Stück weise Charakteristika des galanten und ein wenig sogar des empfindsamen Stils auf, meint Steger, auch wenn es teilweise auf alte Zeiten zurückblicke. Der Blockflöte sei diese Musik verwehrt worden, sie war "viel zu trivial, zu direkt, zu wenig dynamisch und konnte nicht leicht genug in die Höhen spielen. Doch das hat mich interessiert: Wie ist es, jetzt auf dem 'veralteten‘' Instrument die neue Musik versuchen zu spielen?"

Facettenreich

Mit seinem ebenso sensiblen wie virtuosen Spiel zeigt der Solist, dass die Sonate auch auf dem "alten" Instrument gut klingt. Ebenso wie die anderen fünf Kompositionen auf dem Album. Facettenreich lotet er alle Möglichkeiten des Instruments aus, stets stilsicher und leidenschaftlich von den La Cetra-Musikerinnen und Musikern unterstützt. Die Bandbreite der Besetzungen reicht dabei vom Duo bis zum stattlichen Barockorchester.

Faszinierender Beginn

Das vielleicht auffälligste Stück erklingt dabei gleich am Anfang. Die Ecksätze des Cembalokonzerts BWV 1053 hat Maurice Steger mit all den Verzierungen und Trillern aufgenommen, die Bach hier für den Cembalovortrag vorgesehen hat. Während diese auf dem Cembalo eher unauffällig vorüberfliegen, treten sie bei der Blockflöte stark in den Vordergrund. Das Stück voller Zwitschern und Trällern wird dank der phänomenalen Virtuosität Stegers zum Klangspektakel.

Rainer Baumgärtner, rbbKultur